Auf geht’s mit Bier und Bollerwagen – oder soll man es lassen?

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squirrl87 yrs
Der sogenannte Vatertag polarisiert wegen seiner oft archaischen und alkoholschwangeren Ausgestaltung. Für die einen ist das Kulturgut, für die anderen Anachronismus.

Am sogenannten Vater-, Herren- oder Männertag, so will es ein ebenso ungeschriebenes wie ungesundes Gesetz, ziehen feierwütiger Gruppen mehr oder weniger junger Männer mit Bollerwagen, Einweggrill und beachtlichen Alkoholvorräten durchs Land.

Dass es dabei regelmäßig zu Exzessen, Schlägereien und Unfällen kommt, ist so sicher wie das leise Amen in der zeitgleich vielerorts schlecht besuchten Kirche. Ist die Begehung des Feiertags auf diese Weise noch zeitgemäß? Was hat Jesus damit zu tun? Und betrinkt sich dessen Vater wohl auch mindestens ein Mal im Jahr?

Zwei Betroffene schildern ihren Blick auf Sinn und Unsinn einer bemerkenswerten Tradition.
Zwischen Alpha und Omega passt immer ein Herrengedeck

Als gelernter Katholik aus dem sehr flachen Münsterland bin ich damit gesegnet, meine Bollerwagentradition vor allzu nüchternen, weltlichen Moral- und Gesundheitsaposteln verteidigen zu können. Unsereins weiß noch, dass der sogenannte »Vatertag« eigentlich »Christi Himmelfahrt« heißt und es geradezu zwingend ist, an diesem Feiertag dem Herrn und den Herren ein Gefährt zu stellen, das zur Transzendenz führt.

Im Prinzip ist also das Wandern mit Bollerwagen, Bier und Bockwurst nichts anderes als eine Wallfahrt mit minimalem CO₂-Ausstoß. Wir sind beim Blockieren von Straßen so etwas wie die letzte Generation der Mystiker unter den Männern, ab 1,5 Promille finden wir den Sinn des Klebens auf Parkbänken.

Der Bollerwagen ist das Sehnsuchtssymbol für Jäger und Sammler, das Herdfeuer, an dem alte Freundschaften aufgewärmt werden, der Ort, an dem religiöse Wunder nach weltlichen Erklärungen schreien: Wie kann es nur sein, dass im Verlauf des Tages der Wagen immer leichter wird, aber doch schwerer zu ziehen ist? Warum mutiert die alte Regel »kein Bier vor vier« schon vor dem Mittagsläuten in die traurige Erkenntnis: Was, nur noch ein Bier für vier? Gefolgt von der Frage: Wer unter uns verwandelt jetzt Wasser in Wein?

In der Apostelgeschichte im Neuen Testament steht, dass Jesus noch 40 Tage nach seiner Auferstehung zu seinen Jüngern gesprochen habe

. Dann sei er »vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken«.

Vermag denn nur der Gläubige zu erkennen, wie wichtig es ist, mal für einen Tag, den »Blicken« zu entschwinden, aufgenommen in einer Wolke aus Schweiß, Bierdunst und Tabakrauch? Der Service »Trinken auf Rädern« ist unser Glaubensbekenntnis ans Leben, das Mementori mori, bevor nur noch Essen auf Rädern kommt.

Bollerwagen-Bedenkenträger wirken auf uns wie traurige Ungläubige, seelenlose Untote, verweltlichte Langweiler, die sich in blinder Wissenschaftsgläubigkeit Vitaminspritzen setzen , statt im verlässlich rumpelnden Rad des Bollerwagens den ewigen Kreislauf des Lebens zu erkennen: Zwischen Alpha und Omega passt immer ein Herrengedeck.

Der Himmelfahrtstag bietet eine Erklärung dafür, dass der Körper Jesu nach der Auferstehung nicht mehr bei den Menschen auf der Erde ist. Sich in den Zustand der Entrückung zu begeben, ist also geradezu ein religiöser Akt, die Sehnsucht nach Rausch(mitteln) und Transzendenz so alt wie die Menschheit selbst – und der Bollerwagen ihr mobiler Altar.

Katholizismus und Alkoholismus waren schon immer Seelenverwandte. Mönche erfanden sättigendes Bier und soffen sich durch die Fastenzeit. Nach dem Hochamt am Sonntag wartet der Stammtisch. An Ostern machen wir den Emmaus-Gang. Zu Weihnachten steinigen wir den Stephanus. Himmelfahrt ist Wandertag... und wenn wir es übertreiben, bleibt das schöne Heilmittel der Beichte – man kotzt sich, im rein religiösen Sinn natürlich, die Seele aus dem Leib.

Nur das mit der Auferstehung nach unserem Leidensweg, das kriegen die meisten niccht so gut hin. Gelobt sei der anschließende Brückentag!

https://www.spiegel.de/panorama/vatertag-mit-bier-und-bollerwagen-o
squirrl87 yrs
In Oldenburg ist es noch sehr ruhig. Auf der Rückfahrt von der Dialyse habe ich nicht eine Radfahrergruppe gesehen, auch keine Fußgruppen, der Taxifahrer berichtete auch von einem ruhigem Geschäft.
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