Gedichte

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K*******u
Ich möchte hier mit einem Gedicht, welches ich geschrieben habe, 1 Jahr und 9 Monate nachdem mein Mann so plötzlich verstorben war, beginnen. Ich hatte dieses Gedicht auch in der alten Community veröffentlicht und möchte es hier auch gerne wieder voraus stellen:

November

Jeden Abend kommt die Dunkelheit zu früh,
ganz von allein kommt die Erinnerung an Dich.
Ich weiß, es ist zu spät, wie damals wird es nie,
ganz schwer zu glauben an ein Licht für mich.

Der Kampf ums Leben fällt mir noch so schwer,
es ist ein lieber Mensch bei mir und das tut gut.
Die Welt ist trotzdem ohne Dich so oft so leer,
ich hab nicht immer, aber manchmal wieder Mut!

Ich will Dich keinen Tag vergessen den ich lebe,
Du wirst im Herzen immer als mein Partner bei mir sein.
Ich wünschte mir so sehr, dass es ein Wiedersehen gebe,
Alleine bin ich nicht, doch ohne Dich so oft allein.

Die Zeit vergeht und wieder ist es Herbst und Dunkelheit,
es kommt für mich ein Licht, es wird ganz lieb gebracht,
doch trotzdem spüre ich, was heißt „Vergangenheit“,
Es ist Dein Werk, wenn Hilfe kommt in dunkler Nacht !



In Liebe und Dankbarkeit für Helmut
70
squirrl87 yrs

Erntelied

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod,
Er mäht das Korn, wenn's Gott gebot;
Schon wetzt er die Sense,
Daß schneidend sie glänze,
Bald wird er dich schneiden,
Du mußt es nur leiden;
Mußt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Was heut noch frisch und blühend steht
Wird morgen schon hinweggemäht,
Ihr edlen Narzissen,
Ihr süßen Melissen,
Ihr sehnenden Winden,
Ihr Leid-Hyazinthen,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Viel hunderttausend ohne Zahl,
Ihr sinket durch der Sense Stahl,
Weh Rosen, weh Lilien,
Weh krause Basilien!
Selbst euch Kaiserkronen
Wird er nicht verschonen;
Ihr müßt zum Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Du himmelfarben Ehrenpreis,
Du Träumer, Mohn, rot, gelb und weiß,
Aurikeln, Ranunkeln,
Und Nelken, die funkeln,
Und Malven und Narden
Braucht nicht lang zu warten;
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Du farbentrunkner Tulpenflor,
Du tausendschöner Floramor,
Ihr Blutes-Verwandten,
Ihr Glut-Amaranthen,
Ihr Veilchen, ihr stillen,
Ihr frommen Kamillen,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Du stolzer, blauer Rittersporn,
Ihr Klapperrosen in dem Korn,
Ihr Röslein Adonis,
Ihr Siegel Salomonis,
Ihr blauen Cyanen,
Braucht ihn nicht zu mahnen.
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Lieb Denkeli, Vergiß mein nicht,
Er weiß schon, was dein Name spricht,
Dich seufzerumschwirrte
Brautkränzende Myrte,
Selbst euch Immortellen
Wird alle er fällen!
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Des Frühlings Schatz und Waffensaal
Ihr Kronen, Zepter ohne Zahl,
Ihr Schwerter und Pfeile,
Ihr Speere und Keile,
Ihr Helme und Fahnen
Unzähliger Ahnen,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Des Maies Brautschmuck auf der Au,
Ihr Kränzlein reich von Perlentau,
Ihr Herzen umschlungen,
Ihr Flammen und Zungen,
Ihr Händlein in Schlingen
Von schimmernden Ringen,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Ihr samtnen Rosen-Miederlein,
Ihr seidnen Lilien-Schleierlein,
Ihr lockenden Glocken,
Ihr Schräubchen und Flocken,
Ihr Träubchen, ihr Becher,
Ihr Häubchen, ihr Fächer,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Herz, tröste dich, schon kömmt die Zeit,
Die von der Marter dich befreit,
Ihr Schlangen, ihr Drachen,
Ihr Zähne, ihr Rachen,
Ihr Nägel, ihr Kerzen,
Sinnbilder der Schmerzen,
Müßt in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

O heimlich Weh halt dich bereit!
Bald nimmt man dir dein Trostgeschmeid,
Das duftende Sehnen
Der Kelche voll Tränen,
Das hoffende Ranken
Der kranken Gedanken
Muß in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

Ihr Bienlein ziehet aus dem Feld,
Man bricht euch ab das Honigzelt,
Die Bronnen der Wonnen,
Die Augen, die Sonnen,
Der Erdsterne Wunder,
Sie sinken jetzt unter,
All in den Erntekranz hinein,
Hüte dich schöns Blümelein!

O Stern und Blume, Geist und Kleid,
Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit!
Den Kranz helft mir winden,
Die Garbe helft binden,
Kein Blümlein darf fehlen,
Jed' Körnlein wird zählen
Der Herr auf seiner Tenne rein,
Hüte dich schöns Blümelein!

10
squirrl87 yrs

Ich vermiss dich


Ich denke an dich, du bist nicht mehr da,
du fehlst immer wieder, Jahr für Jahr.

Ich vermiss dich!

Es kommt ständig wieder und tut immer noch weh,
in Gedanken ich immer dich vor mir seh.

Ich vermiss dich!

Es ging alles so schnell, es hat keiner gefragt,
alles wird gut, hast du anfangs gesagt.

Ich vermiss dich!

Doch es kam anders, und du hast gespürt,
dass dein Weg nur noch weg von uns führt.

Ich vermiss dich!

So viel haben wir geredet, doch hat es gereicht?
Der Abschied war alles andere als leicht.

Ich vermiss dich!

Wann hört das auf, ist vertrieben der Schmerz?
Wann weint nicht immer mal wieder mein Herz?

Ich vermiss dich!

Vielleicht ist es gut, wenn ich an dich denk,
denn dass es dich gab, das ist ein Geschenk.
Ich bin ein Teil von dir, und das ist gut,
gib mir deine Kraft, deine Ruhe und Mut.
Hilf mir zu leben und beschütze mich,
dann denke ich mit einem Lächeln an dich.

Ich vermiss dich.

Autor: Claudia Henkel (*1963)

20
a member
Ich finde den Text wunderschön. Traurig. Real.
Liebe Grüße

https://www.youtube.com/watch?v=WYAC2QkBeNU
10
U********e
Ich habe den Hirsch einmal gehört. Das war beeindruckend.
00
U********e
Ilse Aichinger

Zeitlicher Rat

Zum ersten
mußt du glauben,
daß es Tag wird,
wenn die Sonne steigt.
Wenn du es aber nicht glaubst,
sage ja.

Zum zweiten
mußt du glauben
und mit allen deinen Kräften,
daß es Nacht wird,
wenn der Mond aufgeht.
Wenn du es aber nicht glaubst,
sage ja

oder nicke willfährig mit dem Kopf,
das nehmen sie auch.
10
U********e
STILLES SONETT

Eine Stille ist, dass kaum
Sich die Halme regen,
Und der Wind will in dem Baum
Sich zur Ruhe legen.

Eine Stille ist im Raum,
Und auf stillen Wegen
Ziehen Herden wie im Traum
Ihrem Dorf entgegen.

Stille, die noch stiller will
Sich in sich versenken,
Eine Stille wie ein still
An-die-Toten-Denken –

Flüsternd wirbt das Stillesein:
Kehre in die Stille ein!

Johannes R. Becher
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