Wenn der CSD in der Tagesschau ist ...

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9 answers in this topic
meeeep57 yrs
Der CSD in Berlin läuft.

Ich bin bei diesen Veranstaltungen immer etwas zurückhaltend, weil nicht alles, was dort gezeigt wird, unserem Image wirklich zuträglich ist.

Man kann es witzig nennen oder mutig. Auf jeden Fall haben es die beiden in die Liveübertragung der Tagesschau geschafft.    

Die Bilder wurden zwar öffentlich ausgestrahlt, aber evtl. fallen die doch der Zensur zum Opfer. Ich hoffe, die Links werden hier überhaupt angezeigt. Sind nur maximal zwei Monate aktiv.

https://ibb.co/cSgB8JnL

https://ibb.co/8nMwcpGC

https://ibb.co/B2zRdP0V
a member
Es ist aber die bunte Welt, die wir darstellen.
meeeep57 yrs
fetischmen schrieb:
Es ist aber die bunte Welt, die wir darstellen.


Das ist genau der Punkt, dem ich widerspreche. Denn »wir« würde mich mit einschließen und auch inzwischen viele Kritiker aus den eigenen Reihen.

Beim CSD geht es um politische Ziele und Gleichberechtigung. Ich habe da so meine Probleme, wenn man in diesem Zusammenhang immer die sexuellen Spielarten nach außen kehrt. Das wird grundsätzlich auf den Charakter aller queeren Menschen gelegt, egal wie diese sich in unserer Gesellschaft bewegen. Für seine sexuellen Spielarten muss keiner auf die Straße gehen.

Was geht aus solchen Bildern hervor? Schwule sind Leute, die nackt durch die Straße laufen. Schwule sind Menschen mit Lederfetisch. Schwule laufen wie Frauen herum usw. …

Ich kenne keine Demo von Heteros, wo diese ihre sexuellen Spielarten auf die Straße tragen. Die ganzen Kritiker haben da natürlich Angriffsfläche. »Denkt doch mal an die Kinder …«

Dieses Differenzieren vermisse ich sehr bei diesen Veranstaltungen. Für was gehe ich auf die Straße? Um mich zum Affen, zum Gespött zu machen. Um Klischees zu bedienen, um zu zeigen: Die Kritiker haben recht?

Ich war (tatsächlich) zufällig beim queeren Stadtfest in Berlin. Den folgenden Satz habe ich in einem anderen Forum geschrieben:

>> Üblicherweise besuche ich solche Veranstaltungen nicht. Ich habe da auch wieder zu viel gesehen, was ich nicht sehen will. Kugelrunde, halbnackte Männer mit fingerdicken Nippelpiercings, verschwitzte, haarige Ar***ritzen, die bewusst aus der Hose schauten, um das Band eines siffigen Jockstraps zu zeigen, u. v. m. Nein, das ist nicht meine Welt. <<

Das mag Spießig und Konservativ klingen. Wir Queeren müssen uns auch Gedanken über unsere Außenwirkung machen. Ich verlange von den Anderen Toleranz, dann muss ich auch bis zu einem gewissen Grad deren Schmerzgrenze tolerieren.

Wenn ich als Ziel ein gleichberechtigtes Zusammenleben erreichen will, dann kann ich nicht mit der Brechstange durchgehen. Mit solchen Aktionen gebe ich genau denen Futter, die uns in letzter Zeit das Leben wieder schwer machen.
W********w
@meeeep ich gebe dir vollkommen recht, ich sehe es auch so

warum muß man schwanzwedelnd durch die gegend laufen, da bekommen die rechten nur wieder richtig futter vorgesetzt...
a member
@meeeep heute ist es nun mal so wer am lautesten schreit der wird gehört.
meeeep57 yrs
fetischmen schrieb:
@meeeep heute ist es nun mal so wer am lautesten schreit der wird gehört.


Oder erreicht das genaue Gegenteil von dem was er will. Gehört werden viele. Erhört nur wenige.

Ich hänge mal einen Text dran, den ich in einem anderen Forum geschrieben habe:


Karneval ist keine politische oder gesellschaftliche Demonstration.

Das ist ein Problem des CSDs. Der wird mit Karneval verwechselt.

Hier geht es um gesellschaftliche Gleichberechtigung. Dass das mit Spaß und Party gemischt wird, ist OK. Aber wir sollten daran denken, an wen wir uns mit dieser Demo wenden.

Das sind Menschen, die extreme kulturelle, religiöse, konservative oder persönliche Ressentiments gegenüber modernen Lebensformen haben. Die berufen sich auf Traditionen, die aus dem letzten Jahrhundert, mehr als 800 oder 2000 Jahre oder noch älter sind. In unserer eigenen Bubble brauchen wir nichts zu erklären.

Mal ganz ehrlich. Wie viele Menschen/Männer siehst du im täglichen Leben nackt über die Straße laufen? Ist der CSD eine »Nudismus für alle Demo«? Ich persönlich finde es wenig angenehm, wenn mir irgendjemand ungefragt seinen Pimmel öffentlich vors Gesicht hält. Egal ob es sich um einen attraktiven Mann oder nicht handelt.

Wenn ich mir jetzt ansehe, wie einige Menschen beim CSD auftreten, dann kann ich verstehen, warum die Eltern wenn die Queeren ankommen, »ihre Kinder von der Straße nehmen«. Ich kann verstehen, warum die Leute die Straßenseite wechseln. Auch wenn die Masse der Teilnehmer recht zivilisiert ist, bleiben aber die wenigen Extreme in den Köpfen der Betrachter hängen. Das ist keine Fetischistendemo, keine Nudistendemo, keine Ich-machs-von-hinten-Demo, keine Wer-hat-den-längsten-Schwanz-Demo. Aber genau so stellen sich einige Teilnehmer dar. Das erinnert mich so an das Stadtfest, das ich im anderen Thread beschrieben hatte. Warum muss ich in extra kurzen Sweatpants rumlaufen, nur damit alle das Gemächt darin rumbaumeln sehen?

In den Foren zerreißen sich nicht nur die Rechten das Maul über solche Aktionen. Ich kann das vollkommen verstehen, wenn es viele Menschen gibt, die da eine Mauer aufbauen. Die das anwidert und die das in der Folge ablehnen. Darum geht es beim CSD nicht. Aber damit erreiche ich das genaue Gegenteil von dem, was eigentlich erreicht werden soll. Nicht die Normalität, sondern die Spaltung wird größer. Der CSD speziell in Berlin ist groß. Dass aber sehr viele von außen darauf schauen und das als ein Schaulaufen der »Spinnerten« titulieren, das wird in der Bubble gar nicht wahrgenommen. Ach, da sind so viele gekommen. Das muss ja gut sein. Wir bewegen was.

Nein. Wir bewegen nichts, wir kreisen um uns selbst und merken es nicht. Was ist dem mit dem Pride-Month der Wirtschaft? Wenn dann konservative Wirtschaftsbosse kommen und das stoppen, dann wird die ganze Pride-Aktion einfach in die Tonne gekloppt. Die Wirtschaft springt auf so etwas nicht auf, weil sie queerfreundlich ist. Die springt so lange auf, solange es Geld bringt, Mainstream ist und sich gut als Image verkaufen lässt.

Bei keiner Demo gegen z.B. Atomkraft laufen sexualisierte Freaks, Fetishgruppen oder ähnliches mit. Bei der politisch oder gesellschaftlichen Gleichberechtigung für andere Lebensformen scheint das normal zu sein.
Natürlich kann ich sagen, Naja was solls. Ein, zwei Pimmel im Fernsehen. Aber genau durch solche Aktionen verkommt der CSD zur Freakshow, die bei denen, denen er eigentlich gilt, die Ablehnung noch größer macht.
T********m

@meeeep
Vielen Dank für Deine Zeilen zu diesem Thema, in denen ich voll und ganz bei Dir bin!

Der Pöbel freut sich über die schwulen Paraden, die durch gesellschaftlich unverträgliche, schräge Gestalten aufschimmern und ihm solch nützliches Futter vor die Füße werfen.

Das "gemeine Volk" sieht uns durch solche Darbietungen sicher wieder mehr und mehr als Außenseiter der Gesellschaft. Wir werden erneut zu einer unangenehmen Randgruppe, die gemieden und verhindert werden muss.
P******w
@meeeep: Ich stimme dir und den anderen Kommentatoren 100%ig zu! Damit ist alles gesagt!!!
peterwolfgang75 yrs
Ich stimme im Wesentlichen zu. Auch wegen der Tendenz beim CSD, Schwule auf ihre (andere) Sexualität zu reduzieren.

Denke aber auch: Wer zu CSD oder queerem Stadtfest geht, weiß in der Regel, wo er hingeht. Nicht zum Friedensfest oder Kirchentag.

Insgesamt bin ich unsicher, wie dieses Thema in der schwulen Welt mehrheitlich gesehen wird. Ist unsere kleine Diskussion hier repräsentabel?

oder ???
edited once
K*******u
Auch wenn hier seit einem Monat keine Beiträge mehr erschienen sind möchte ich das Thema hier noch einmal kurz aufnehmen. Wir haben in unserer Community "Anders als Alle(s)", deren Admin ich bin auch schon "rauf und runter" über den CSD bzw. die CSD`s diskutiert und auch die Meinung wie meeeep sie hat wurde bei uns veröffentlicht. Es gibt aber auch andere Stimmen und ich persönlich finde auch, dass mit so einer Sicht, dass bei den CSDs quasi Alles falsch gemacht wird, nicht gerade ein Selbstbewußtsein zum Ausdruck kommt.

Ich höre das nicht so, dass die Leute immer nur das negative Bild sehen wie es in vielen Medien trotz mitunter durchaus objektiver Text- oder Wortbeiträge ja leider da ist, sondern doch immer noch viele Menschen sich über gelungene CSDs freuen und die Fetisch - Leute oder gelegentliche "nackte Tatsachen" deren Bild nicht trüben können. Leute die schlecht über uns reden wird es immer geben, dass sollten wir uns nicht als Maßstab setzten, auch oder gerade nicht, wenn die Zeiten härter werden und was in den Trump-USA passiert leicht nach uns überschwappen könnte, wo nur nur Menschen mit Hetero-Familie und Kinder was gelten sollen.
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