Wer ficken will, muss freundlich sein

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squirrl87 yrs
Veranstaltungsreihen der Sex-Positivity-Bewegung haben beachtlichen Zulauf. Wie fühlt es sich an, mit Menschen zu feiern, die für vieles offen sind? Zu Besuch bei »Studio Lovemasters« und »Kinky Galore«.

Wer zum ersten Mal eine sexpositive Party besucht – egal, ob eine queere oder eine eher hetero-orientierte –, macht schon im Vorfeld interessante Erfahrungen. Eine Begleitung nach der anderen sagt ab. Die Hemmung vor den eigenen sexuellen Fantasien und denen anderer scheint größer zu sein als die anfängliche Neugier. Die Sex-Positivity-Bewegung hat wohl noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten.

Sex Positivity meint nichts weiter als die grundsätzlich positive Haltung gegenüber Sexualität in all ihren gewaltfreien Spielarten. Sexualität wird als Ausdruck der persönlichen Freiheit und Lust verstanden, die offen gelebt und genossen werden darf – auch jenseits klassischer Monogamie. Die Einvernehmlichkeit sämtlicher Handlungen gilt als oberstes Gebot. Die Bewegung setzt seit Ende der Neunzigerjahre fort, was als sexuelle Befreiung in den Sechzigerjahren begann. »Wir verstehen Sex als eine gesunde und natürliche Aktivität, einen Teil des Menschseins, einen Weg zu einem glücklichen Leben«, sagt Lila Donnolo, jahrelang Bewohnerin sexpositiver WGs in Berlin und New York, Podcasterin und selbst ernannte »Intimitätsspezialistin«. Wenn wir unseren Fantasien nachgehen, fühlen wir uns lebendig, so Donnolo.

Oft werde Sex Positivity allerdings mit Promiskuität verwechselt. Lila lebt nicht promiskuitiv. Ihr geht es um Freiheiten, darum, offen mit ihren Bedürfnissen umzugehen, nicht isoliert zu sein. Niemand, der auf eine sexpositive Veranstaltung geht, muss Sex haben. Die Events seien sehr respektvoll, erzählen Besucher. Alles kann, nichts muss. Die »New York Times« stellte nach einem Besuch einer polyamourösen Party fest, »nie zuvor mehr glückliche und nüchterne Menschen um zwei Uhr morgens in einem Klub« gesehen zu haben. Vielleicht wird Sex nirgendwo bewusster praktiziert als in dieser Szene – oft sogar ohne Alkohol oder Drogen. In Donnolos WG lautete die erste Regel, mit keinem der anderen Bewohner Sex zu haben, um Konflikte zu vermeiden. Gästen von sexpositiven Partys empfiehlt Donnolo, sich beim ersten Besuch vorzunehmen, nicht gleich aktiv zu werden, sondern sich erst mal zu akklimatisieren.

Daran stört sich niemand. Der Veranstalter der Hamburger Partyreihe »Studio Lovemasters« bezeichnet seine Events als »Clubbing 2.0«: Die Gäste tanzen zu Elektrobeats, seien nur sexier zurechtgemacht als üblich. Ohne explizite Aufmachung kein Einlass. Man sieht viel Leder und Haut, einige stehen in Unterwäsche herum, andere tragen Hemd zur Lackhose. Es wird getanzt, geknutscht, gefummelt, zu späterer Stunde auch nackt – eine Gemeinschaft der Nichtprüden. Es sind Paare dabei, viele Männer und Frauen sind aber allein gekommen, darunter die 20-jährige Julia, die nur ein paar Riemchen trägt. Sie ist gekommen, weil hier keiner komisch guckt oder bewertet, sie die Musik mag und Sex. Die Party sei ein Safe Space – und niemand sauer bei einem Nein. »Ob heute etwas passiert, weiß ich noch nicht. Kommt darauf an, wer fragt«, sagt sie. Die meisten Besucher bei »Studio Lovemasters« sind mindestens doppelt so alt wie Julia, Normalos mit normalen Körpern, viele mit Tattoos.
squirrl87 yrs


Nur 20 bis 30 Prozent der Gäste hätten Sex auf seinen Partys, erzählt Jan Ehret, der größte Veranstalter sexpositiver Events in Deutschland. »Kinky Galore« heißt seine Veranstaltungsreihe, die Klubs von Freiburg bis Hamburg füllt. Jede Party ist in der Regel ausverkauft, bis zu 2500 Gäste tummeln sich zwischen Sexschaukeln, Strafbock und Spielpony – wie bei einer riesigen sexy Mottoparty. Die Szene sei nicht so »knüppelernst«, sagt Ehret, der die Musik auflegt. Als DJ hat er im berüchtigten »Kitkat« in Berlin begonnen, einem der ersten Klubs in Deutschland, in dem Sex offen praktiziert wurde. Ehret geht es weniger um Tabubruch als um Spaß: Alle sollen strahlen, sagt der 44-Jährige, der fest liiert und Vater dreier Kinder ist. Sein »Kinky Galore Club« hat mittlerweile um die 20.000 Mitglieder.

Seit Corona habe das Geschäft an Fahrt aufgenommen, sagt er. Das Bedürfnis nach Körperlichkeit ist in der Pandemie gestiegen und geblieben, das Angebot an Intimitäts- oder Tantra-Workshops, Tutorials und expliziter Unterhaltung wuchs mit. Der führende Anbieter für intime Lifestyleprodukte EIS gibt an, der Verkauf von Sexartikeln für Männer und Frauen habe sich während der Pandemie teils vervierfacht. Das Unternehmen Ritex verzeichnete 2023 den höchsten Umsatz mit Kondomen und Gleitgels in seiner Geschichte.

An Kondomen mangelt es auch auf den frivolen Partys nicht – Safer Sex ist selbstverständlich in der Szene. Bei Ehret sind Medical-Awareness-Teams im Einsatz, bei »Studio Lovemasters« wacht die Security. Benimmt sich jemand daneben, wird er oder sie rausgeschmissen. Passiere aber selten, sagt Ehret. Es dominieren Gemeinschaftsgefühl und Vertrauen. 20 Prozent seiner Gäste sind Singlefrauen, die meisten kommen regelmäßig. Weil die Atmosphäre stimmt. Weil man sich gegenseitig Komplimente macht, die Outfits lobt. Das sei doch logisch, so Ehret: »Wer ficken will, muss freundlich sein.«

Das Onlinedating-Portal Bumble startete 2023 eine »Kindness is sexy«-Kampagne für eine respektvolle Datingkultur. Und fand in einer Umfrage heraus, dass Kindness für 85 Prozent der Deutschen die wichtigste Charaktereigenschaft bei der Partnerwahl ist. Dabei kam es besonders auf Ehrlichkeit (55 Prozent), Empathie (51), emotionale Offenheit (38) und Komplimente oder Bestätigung (35) an.

Viele dieser Tugenden kommen auf einer sexpositiven Party oder bei einer Tantrasession zum Ausdruck. Die Teilnehmer lächeln sich an, tanzen miteinander, suchen Kontakt zu anderen, streicheln sich, wenn gewünscht, spüren den Herzschlag eines Fremden. Es sind schöne, intime und befreiende Momente. Manche verschwinden in Playrooms, die nur Paaren offen stehen. Andere verabschieden sich früh nach Hause. Alles ist offensichtlich, nichts geschieht mit Hintergedanken. Und genau das ist das Geheimnis. Es gibt keine versteckten Blicke oder verhohlene Anmache. Es wird offen geflirtet, ehrlich geantwortet: Man erlebt Sex, aber keinen Sexismus. Keiner scheint beleidigt. Das ist deutlich angenehmer als der Besuch manch klassischer Party.

https://www.spiegel.de/stil/wer-ficken-will-muss-freundlich-sein-a-d70a26ba-0002-0001-0000-000214160638
K*******u
Das hier ist doch ganz etwas Anderes als der Artikel vor ein paar Tagen, Walter, dies ist kein rumgeschwurbel sondern echte Information, statt der Frage wie oft man seine Unterhosen wechselt und überflüssige Hinweise zur Körperpflege im Genitalbereich. Wer das nicht weiß, dem ist auch mit SPIEGEl-lesen nicht zu helfen. Der heutige Bericht könnte wirklich Leuten etwas helfen, die eine solche Szene suchen und ist auch allgemein interessant was die heutige Gesellschaft betrifft.
squirrl87 yrs
Ach,  Franz, die Themen bieten sich an, weil aktuell, interessant, skuriel, wichtig oder unwichtig sind und man sich fragt "was soll das". Das zu beurteilen überlasse ich jedem Leser und bin der Meinung, das muß ich nicht zensieren und überlasse das Urteil jedem selbst.
K*******u
Auch unsere Medien darf man kritisieren, das sind keine "heiligen Kühe", weder NWZ noch SPIEGEL, Walter. Ich habe aber gerade im anderen Thread unsere Medien auch verteidigt.
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